Drama mit Kaffee-Aroma
Kaffee. Für viele ein Morgenritual, für manche ein Lebenselixier. Und für einen Bauarbeiter aus Sachsen-Anhalt? Ein Türöffner ins Sozialrecht – mit Nasenbeinbruch.
Doch von vorn. Es war einmal ein ganz normaler Morgen auf der Baustelle. Pflichtbesprechung im Baucontainer. Kaffee vom Arbeitgeber dampft auf dem Tisch. Unser Held des Tages – nennen wir ihn Frank – nimmt einen Schluck. Es ist heiß, er verschluckt sich, stolpert rückwärts zur Tür, verliert das Bewusstsein und knallt mit voller Wucht auf ein Metallgitter. Zack: Nase gebrochen, Chaos komplett.
Könnte man meinen: blöd gelaufen, aber privat. Dachte sich auch die Berufsgenossenschaft. Kaffee? Privatsache. Und das Sozialgericht nickte eifrig mit. Doch Frank ließ nicht locker. Und plötzlich steht es da, schwarz auf weiß: „Der Unfall war ein Arbeitsunfall.“
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt setzte am 22. Mai 2025 ein klares Zeichen. Kaffee in einer verpflichtenden Betriebsbesprechung ist nicht einfach ein Getränk – er ist Betriebszubehör. Wachmacher, Bindeglied, Konzentrationsverstärker. Wenn der Arbeitgeber den Kaffee stellt, dann ist jeder Schluck mehr als nur Durststillung – er wird zum offiziellen Akt. Mit Versicherungsfolge.
Das heißt im Klartext: Wenn Sie sich in einer Pflichtveranstaltung mit Arbeitgeber-Kaffee verschlucken, stürzen oder sich dabei verletzen – dann greift der gesetzliche Unfallschutz.
Was das mit Ihrem Büroalltag zu tun hat?
Mehr, als Sie denken.
Können Sie sich vorstellen, dass ein Schluck Kaffee zum Arbeitsunfall erklärt wird? Genießen Sie weiter, es wird turbulent: Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen‑Anhalt entschied am 22. Mai 2025 (Az. L 6 U 45/23), dass genau das der Fall ist. Und ja, damit trifft der Kaffee voll ins juristische Schwarze. rechtundpolitik.com
😏 Bürokaffee – unterschätzt, aber hochbrisant
Vielleicht lachen Sie gerade. „So ein Quatsch, bei uns im Büro passiert sowas doch nicht!“ Sicher? Stellen Sie sich kurz vor: Sie sitzen mit der Chefin im Meeting. Der Kaffee kommt frisch aus der Jura-Maschine, bereitgestellt vom Arbeitgeber. Sie nicken konzentriert, greifen zur Tasse – und beim Runterschlucken zuckt Ihnen der Rücken. Hexenschuss. Peinlich, aber realistisch.
Jetzt wird’s ernst: War das ein privater Zwischenfall – oder ein versicherter Unfall?
Kommt drauf an. Entscheidend ist der Kontext. Ist die Besprechung verpflichtend? Kommt der Kaffee vom Arbeitgeber? Wurde er im Rahmen der Arbeit getrunken? Dann, liebe Leser:innen, sind Sie versichert. Und plötzlich wird die simple Kaffeepause zur juristischen Angelegenheit.
Was geschah genau?
Wer?
Ein Vorarbeiter auf einer Baustelle, pünktlich zur Morgentabelle erschienen.
Was?
Im Rahmen einer verpflichtenden Besprechung im Baucontainer wird Kaffee serviert. Der Mann verschluckt sich, hüstelt zur Tür und verliert das Bewusstsein. Sein Kopf trifft ein Metallgitter, Nasenbeinbruch inklusive.
Erste juristische Einschätzung
Die Berufsgenossenschaft (BG) lehnt ab: Kaffee trinken sei Privatsache. Auch das Sozialgericht in der ersten Instanz schließt sich an.
Das LSG-Urteil – Kaffee mit Betriebsauftrag
Das Gesetz (§ 8 Abs. 1 SGB VII) verlangt einen inneren Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit. Kaffee trinken zählt normalerweise zum privaten Bereich. Doch: Hier war der Kaffee mehr. Teil einer verpflichtenden Betriebsbesprechung. Kaffee vom Arbeitgeber, für gemeinsame Wachsamkeit. Klarer Zusammenhang: Konzentration, Teamspirit, Arbeitgeberauftrag.
Rechtsgrundlage & entscheidende Fragen
Der entscheidende Passus steckt in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII: Ein Unfall gilt als Arbeitsunfall, wenn er infolge einer versicherten Tätigkeit geschieht. Es muss also der sogenannte innere sachliche Zusammenhang zwischen Handlung und Arbeitsauftrag bestehen.
War Kaffee trinken mehr als Durstlöschen?
Das LSG unterscheidet fein: Eigentlich wird Nahrungsaufnahme dem privaten Bereich zugerechnet – und fällt damit aus dem Versicherungsschutz. Aber: Hier war der Kaffee kein bloßer Wachmacher, sondern ein betrieblicher Impulsgeber.
- Der Kaffee wurde vom Arbeitgeber organisiert und nachgefüllt.
- Es war eine verpflichtende Betriebsbesprechung – Kaffee Teil der Arbeitsroutine.
- Laut LSG: „Gemeinsamer Kaffeegenuss stärkt Atmosphäre, Teamgeist, Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft.“ Quelle
Ergebnis im Detail
Am 22. Mai 2025 erkannte das LSG Sachsen-Anhalt das Verschlucken und den Sturz als Arbeitsunfall mit Nasenbeinbruch an – klare Kiste: Dienstlicher Kaffee = doppelter Versicherungsschutz.
Klare Grenze zur Privatsache
Wichtig in diesem Fall: Hätte der Bauarbeiter seinen eigenen Thermobecher mitgebracht, käme seine Aktion privat daher. Die Tippsrunde im Container mit Kaffee vom Arbeitgeber macht’s. Der eine Schluck zu viel – und plötzlich greift die Versicherung.
Vergleichs-Urteile – Auch andere Kaffee-Cases
LSG Hessen (Feb 2023): Eine Verwaltungsangestellte stürzt auf nassem Boden Richtung Kaffeeautomaten – Arbeitsunfall, da der Weg zum Automaten zum Betrieb gehört. Quelle
BSG / Corona-Fall: Infektion am Arbeitsplatz? Schwierig nachzuweisen – meist kein Arbeitsunfall. Im Kaffee-Fall stimmt die Verbindung – alles klar.
Bedeutung & Konsequenzen – Was Sie jetzt wissen sollten
🔧 Für Arbeitgeber: Kaffeemaschine mit Verantwortung
Wenn Sie Kaffee oder andere Getränke bei verpflichtenden Meetings bereitstellen, gelten diese automatisch als Teil der betrieblichen Organisation. Das LSG betont: Gemeinsames Kaffeetrinken fördert Teamgeist, Aufmerksamkeit und Atmosphäre – Kaufargument genug für den Versicherungsschutz.
Tipp für Sie als Chef oder Verantwortliche: Dokumentieren Sie Meetings – Ort, Zeit, wer anwesend war, dass Kaffee gestellt wurde. So sind Sie vorbereitet, falls ein Unfall gemeldet wird.
👷 Für Beschäftigte: Jeder Schluck zählt
Behalten Sie auch „kleine“ Vorfälle im Auge – ein Verschlucken kann unangenehm und ärgerlich dauern. Melden Sie jede Verletzung, auch die Nasenbeinprellung nach Kaffeeattacken. Bürokratie lohnt sich, vor allem wenn es versichert wird.
Wenn die BG zunächst ablehnt – informieren Sie sich, legen Sie schriftlichen Widerspruch ein und verweisen auf das LSG-Urteil aus Halle.
👩💼 Für alle Sekretär:innen, die Kaffee organisieren
Sie sind die, die morgens die Thermoskanne füllt, die Kapseln nachbestellt, die Milch aufstockt – Sie sind die heimlichen Managerinnen des Büroklimas.
Doch haben Sie je bedacht, dass das Bereitstellen von Kaffee versicherungsrechtlich eine Handlung mit Folgen ist? Wenn Ihre Kollegin beim Umrühren stürzt, während sie sich für die Besprechung vorbereitet, kann das Ihr Team in die Grauzone der Verantwortung katapultieren.
Meine Empfehlung: Machen Sie’s offiziell. Besprechung? Dann Einladung. Kaffee? Vom Arbeitgeber. So sind alle auf der sicheren Seite – auch juristisch.
🛡️ Warum dieses Urteil mehr ist als eine Fußnote
Was uns dieser Fall zeigt: In der Arbeitswelt von heute geht es nicht mehr nur um große Maschinen, Gabelstapler oder Stromschläge. Es geht um das Zusammenspiel von Kommunikation, Fürsorge und Alltagsroutinen. Wer heute Menschen zusammenführt – sei es im Baucontainer oder im Konferenzraum – trägt Verantwortung. Auch für die Details. Auch für den Kaffee.
Das Urteil aus Halle ist kein Einzelfall. Es ist ein Signal. Ein Weckruf. Und vielleicht auch ein kleiner Tritt gegen das Schienbein all jener, die meinen: „Ach, das bisschen Kaffee…“
💬 Schlussgedanke
Wenn Kaffee zum Katalysator für Teamgeist, Konzentration und Struktur wird – dann ist er mehr als ein Getränk. Er ist ein Werkzeug der Zusammenarbeit. Und genau das hat das Gericht erkannt.
Also, liebe Büroprofis: Schenken Sie weiter ein. Aber tun Sie’s bewusst. Denn manchmal reicht ein einziger Schluck – und schon landen Sie im Lehrbuch der Rechtsprechung.









