Unsere aktuelle Umfrage hat unteranderem gezeigt, dass viele unserer Teilnehmenden 30 Jahre und mehr im Beruf stehen.
Aus diesem Grund haben wir vom Verband der Sekretärinnen einen unserer Partner angesprochen und um ein Interview gebeten.
In der Zeit vor dem Beruf, haben wir uns auf die Schule gefreut, dann auf die Ausbildung und erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag? Auf der Fachtagung in Potsdam habe ich persönlich zwei Sekretärinnen verabschiedet, die in diesem Jahr in den Ruhestand gehen.
Interview mit dem (Vor-) Ruhestands- und Übergangscoach – Spezialist für die Generation 50plus: Wolfgang Schiele
Guten Tag Herr Schile – Sie beschreiben sich selbst als (Vor-)Ruhestands- und Übergangscoach.
Stellen Sie sich unseren Lesern bitte kurz vor.
Ich bin Wolfgang Schiele, Jahrgang 1954, lebe in Bad Saarow und habe fast 40 Jahre lang als Ingenieur gearbeitet. Nach meinem unfreiwilligen Berufsausstieg 2013 habe ich eine Coachausbildung absolviert. Ich befasse mich mit den „soft skills“ des Überganges vom Beruf in den Ruhestand, konkret gesagt mit (Vor-)Ruhestandstrainings, dem Übergangs- und Berufstrennungsmanagement. Dafür biete ich Workshops, Seminare und Personalcoachings an und verstehe mich als Begleiter durch die Herausforderungen der dritten und vor allem besten Lebensphase.
Was bereitet Ihnen in Ihrem Beruf die größte Freude?
Am meisten freut mich die Begegnung und der Austausch mit den Menschen, die demnächst in die Rente wechseln und sehr unterschiedliche Vorstellungen von der nachberuflichen Zeit haben. Es tut mir gut, wenn ich diesen Menschen neue, unbekannte und manchmal überraschende Fakten, Sichtweisen und Wertvorstellungen über die Ruhestandszeit vermitteln kann. Und wenn ich merke, dass sie mein Wissen als Trainer neu justiert auf eine selbstgestaltete, sinnvolle und erfüllende Zeit der „Späten Freiheit“. Sie nachdenklich macht und animiert, noch einmal die Visionen und vagen Pläne für den Ruhestand neu zu (über-)denken und zu präzisieren.
Wie kam es dazu, dass Sie als (Vor-)Ruhestands- und Übergangscoach arbeiten?
Vor gut 10 Jahren wurde auch mein langjähriges Unternehmen nicht von Rationalisierungszwängen verschont. Man bot mir 2008 einen nicht verhandelbaren ATZ-Vertrag an. Doch ich wollte als Endfünfziger weiterhin aktiv am sozialen Leben teilnehmen – allerdings jetzt in der Rolle eines selbst bestimmenden und seine Arbeit frei gestaltenden Menschen. Da Psychologie schon immer zu meinen Hobbies gehörte, absolvierte ich eine Coachausbildung in Berlin, legte meine Heilpraktikerprüfung (Psychotherapie) ab und bildete mich als Trainer vielseitig weiter. Ich engagierte mich internsiv in den sozialen Medien, insbesondere bei Xing. Durch meine Artikel und Blogbeiträge wurden Unternehmen, Weiterbildner und sogar ein Verlag auf mich aufmerksam – und so erhielt ich die ersten Seminaraufträge, vor allem in KMU´s.
Welches war die lustigste Frage, die Ihnen ein Kunde/Seminarteilnehmer gestellt hat?
Tja, da gibt es eine Reihe. Aber die Frage, die mich sehr belustigte, lautete: „Und wie verbringen Sie Ihren Ruhestand, wenn Sie dieses Seminar abgeschlossen haben?“ Eben genau darin, dass ich diese Seminare plane, durchführe und weiter optimiere, besteht mein Ruhestand! Das ist meine ganz persönliche Erfüllung im Ruhestand! (Aber das konnte der Fragende nicht a priori wissen.) Nebenbei angemerkt, gibt es auch noch einige weitere Hobbies, wie z. B. die Fotografie …
Welche Frage oder Erfahrung mit Ihren Kunden hat Sie meisten zum Nachdenken gebracht?
Meine nachdenklichste Erfahrung ist noch immer diese: Wie bringe ich es fertig, den Teilnehmern von Workshops und Coachings klar zu machen, dass Ruhestand kein Stillstand ist, sondern eine Zeit der Freiräume, Möglichkeiten und exklusiven Entwicklungsperspektiven. Eine Zeit der „Freitätigkeit“, in der wir losgelöst von den Zwängen des früheren Berufslebens unsere späte Mission finden, persönliche Lebenshöhepunkte frei gestalten und unsere persönliche Biografie vollenden können.
Was raten Sie Frauen, die in den nächsten 5 Jahren in den Ruhestand gehen?
Sich nicht so sehr durch Dritte vereinnahmen zu lassen. Denn es besteht die Gefahr, dass man gerade als Frau ausgenutzt und übervorteilt wird; nach dem Motto: „Wo du jetzt schon mal Zeit hast, könntest du doch für mich, für uns ….“ Soll heißen: Sie sollten eine klare Vorstellung von der Welt nach dem Beruf entwickeln, sich persönliche Pläne und Ziele setzen und selbstbewusst ihren emanzipierten Weg gehen. Einfach genügend Zeit für sich selbst zu haben und sich zu verwirklichen. Zusätzlich: Frauen leben heutzutage noch fünf Jahre länger als die Männer und haben mit jüngeren Jahren geheiratet. Da kann im späten Alter Einsamkeit zum Problem werden. Deshalb rate ich ihnen außerdem, bewusst und aktiv das außerfamiliäre Netzwerk zu erweitern und intensiv zu pflegen.
Sich Gedanken machen über den Ruhestand, ist nur etwas für ältere Sekretärinnen oder profitieren auch die Jungen davon?
Leider verdrängen viele Menschen (nicht nur Sekretärinnen) im Berufsleben gern die Gedanken an ihre Ruhestandszeit. Weil sie meinen, da kommt automatisch alles Gute und Schöne zusammen. Einem anderen Teil von Menschen ist der Gedanke an den Ruhestand ein Gräuel. Wenn dann der Moment des Umschaltens kommt (und er kommt fast immer „plötzlich und unvorbereitet“), ist manch eine(r) hilflos und unvorbereitet. In meinen Seminaren sind auch Endvierziger vertreten; sie sind immer dankbar dafür, schon zeitiger was von der Herausforderungen der Ruhestandszeit gehört zu haben – und wollen in x Jahren noch mal zur Auffrischung kommen.
Überlegen wir mal: Auf unseren Berufseinstieg wurden wir schon lange Zeit davor vorbereitet, warum sollten wir das nicht auch beim Ausstieg tun – uns langfristig vorzubereiten und den Ruhestand zu planen? Denn es liegen 20 plus/minus x Jahre vor uns … Eine Zeit, die auch noch für größere Lebensprojekte ausreicht.
Ach, übrigens: Die Jungen können immer von unseren (Lebens-)Erfahrungen lernen – in allen Lebensbereichen. Ich persönlich glaube auch, die zukünftigen SeniorInnen können ein Gegengewicht zu den „Segnungen“ des digitalen Zeitalters schaffen – ihre „analogen“ Kompetenzen werden nach wie vor gebraucht, auch wenn man uns das auszureden versucht. Z. B. für die Kinder- und Enkelbetreuung, die Generativität, die Weitergabe von Erfahrungen an die jüngeren Geneartionen.
Wenn Sie 3 Wünsche frei hätten: Welche wären das?
Der wichtigste Wunsch: Lange gesund und vital bleiben (aber dafür auch etwas tun zu wollen …). Dann: Noch viele spannende Projekte entwickeln und umsetzen zu dürfen. Und schlussendlich: Souverän und selbstbestimmt über meinen Abschied entscheiden zu können.
Vielen Dank für den Einblick in Ihre Arbeit und Ansichten als (Vor-)Ruhestandscoach.
Hier noch unsere Buchempfehlung zum Interview
Wer mag, kann das Buch natürlich auch beim Buchhändler um die Ecke bestellen … wir wünschen viel Lesefreude.
Liebe Frau Torma,
interessantes Thema. Wusste gar nicht, dass es Ruhestandscoachs gibt. Wäre sehr an einer Veranstaltung mit Herrn Schiele interessiert. Ich gehe in zwei Jahren in den Ruhestand und gehöre zu den rastlosen im Beruf.
Freundliche Grüße
Monika Seurig