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Verständliche Sprache im Büro: So hilft KI wirklich 

 

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Stellen Sie sich vor, Sie bekommen einen Brief von der Berufsgenossenschaft. Sie lesen die ersten zwei Zeilen – und steigen aus. Paragraphen, Fachbegriffe, Schachtelsätze. Muss ich reagieren? Ist das eine Warnung, eine Info – oder beides?
Willkommen im Büroalltag. Willkommen in der Welt der unverständlichen Behördensprache.

Warum dieser Beitrag für Sie als Sekretärin wichtig ist

Post vom Amt kann Angst machen. Oder Ärger. Oder ein großes Fragezeichen ins Gesicht zaubern. Und damit sind Sie nicht allein – auch Janin Steitz, Referentin bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG), erzählt zu Beginn ihres Vortrags auf der re:publica 2025, dass sie ein solches Schreiben einfach zurück in den Umschlag gelegt hat. Warum? Weil sie schlicht nicht wusste, ob sie reagieren muss, was gemeint ist oder was als Nächstes passiert.

Diese Hilflosigkeit ist kein persönliches Versagen, sondern ein strukturelles Problem: Behörden schreiben oft so, dass kaum jemand sie versteht. Und genau hier kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel – als Brückenbauerin zwischen Paragraphendschungel und Alltagssprache.

Was Sie in diesem Beitrag erwartet:

  • Eine verständliche Zusammenfassung des KI-Projekts der VBG
  • Konkrete Handlungsempfehlungen für Ihren Büroalltag
  • Ein tiefes Verständnis dafür, warum Sprache mehr als nur Stil ist
  • Eine Vision für Ihre Rolle als Mittlerin zwischen Fachlichkeit und Klartext

Ein Problem, das alle kennen – aber niemand löst

Janin Steitz startet mit einem Erfahrungsbericht, der vielen aus dem Herzen sprechen dürfte:
Sie erhält Post von der Sozialversicherung – unerwartet, kryptisch, beängstigend. Eine Zahl steht im Raum, aber ob sie gut oder schlecht ist, bleibt offen. Am Ende landet das Schreiben ungelesen auf dem Schreibtisch. „Wenn es wichtig ist, melden die sich schon wieder.“

Wie oft haben Sie selbst diesen Satz gedacht – oder von Kolleginnen gehört?
Doch in einem professionellen Umfeld wie dem Sekretariat kann man sich diese Strategie nicht leisten. Sie müssen verstehen, was gefordert wird. Ob für Ihre Vorgesetzte, das Team oder die Buchhaltung: Missverständnisse durch Sprache kosten Zeit, Geld und Nerven.

Die Ursachen: Warum Behörden so schreiben, wie sie schreiben

Steitz erklärt, dass die typische Behördensprache historisch gewachsen und juristisch geprägt ist. Ihre Zutaten sind bekannt:

  • Schachtelsätze, die keine Luft lassen
  • Fachbegriffe, die für Außenstehende böhmische Dörfer sind
  • Rechtssicherheit, die über alles gestellt wird

Das führt dazu, dass selbst interne Mitarbeitende oft nicht mehr genau wissen, was ihre eigenen Texte bedeuten sollen. Und das, obwohl sie sich bemühen, sich in die Lesenden hineinzuversetzen.

Doch guter Wille reicht nicht. Verständlichkeit braucht Struktur. Und manchmal braucht sie Unterstützung – zum Beispiel durch KI.

Das Projekt: Verständlichkeit per Knopfdruck – aber nicht ohne Menschenverstand

Die VBG verschickt rund 4,2 Millionen Schreiben im Jahr. Eine gewaltige Menge. Und jede einzelne Nachricht ist eine Chance – oder ein Risiko. Wird sie verstanden oder landet sie im Papierkorb?

Deshalb entwickelt die VBG derzeit ein KI-gestütztes Word-Add-in, das während des Schreibprozesses alternative Formulierungen vorschlägt. Das Prinzip ist einfach:

  1. Text wird markiert.
  2. Die KI macht einen verständlicheren Vorschlag.
  3. Die Mitarbeitende prüft, passt an oder übernimmt.
  4. Der optimierte Text fließt ins finale Schreiben ein.

Wichtig: Die KI schreibt nicht allein. Kein Brief verlässt das Haus ohne menschliche Kontrolle. Das ist keine Texter-Maschine, sondern ein Assistent im Hintergrund.

So funktioniert das Tool – ein Blick in die Praxis

Steitz beschreibt, wie das Tool als Add-in in Word integriert wird. Die Mitarbeitenden markieren einen Absatz und klicken auf „vereinfachen“. Die KI, basierend auf einem Sprachmodell, liefert einen Vorschlag, der direkt geprüft und übernommen werden kann – oder auch nicht.

Diese Technik ist nicht nur effizient, sondern auch sicher: Die KI läuft lokal („on-prem“) und verarbeitet keine externen Daten. Gerade in Behörden ein Muss.

Und was macht das Tool besser?

  • Es erkennt unnötig komplizierte Satzstrukturen
  • Es bietet mehrere Varianten zur Auswahl
  • Es respektiert fachliche Präzision, während es die Sprache gleichzeitig öffnet

Kein Tool ohne Menschen: Warum Beteiligung entscheidend ist

Was dieses Projekt so bemerkenswert macht: Die VBG holt ihre Mitarbeitenden von Anfang an ins Boot.

  • Es gibt Tests an vier Standorten
  • Beschäftigte dürfen ihre eigenen Texte mitbringen
  • Feedback wird aktiv eingesammelt und umgesetzt
  • Es gibt Online-Sprechstunden, Schulungen, Videos und Learning Nuggets

So wird nicht über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg entschieden, sondern mit ihnen gearbeitet. Dieses Change Management ist ein Vorbild für viele Büroeinführungen – auch außerhalb der Verwaltung.

Drei Säulen für echte Veränderung: Kommunikation, Beteiligung, Qualifizierung

Die VBG denkt das Projekt nicht nur technisch, sondern auch strategisch – mit einem klaren Fokus auf Change Management. Die Einführung der KI wird begleitet von einem professionellen Dreiklang:

SäuleKonkret umgesetzt durch …
KommunikationRegelmäßige Updates zur Projektentwicklung, transparente Informationen für alle Mitarbeitenden – intern wie extern.
BeteiligungsmaßnahmenOnlineveranstaltungen, Sprechstunden, Tests mit echten Texten, Feedbackschleifen – Mitarbeitende werden ernst genommen und aktiv einbezogen.
QualifizierungE-Learning, Learning Nuggets, Onlinekurse (MOOCs) – vom Einstieg in KI bis zur konkreten Nutzung des Tools im Arbeitsalltag ist alles dabei.

Diese strukturierte Herangehensweise zeigt: Digitalisierung gelingt nur mit Menschen – nicht über sie hinweg. Und genau das lässt sich auch auf Ihr Büro übertragen: Schulungen, offene Fragenrunden und kleine Erklärformate schaffen Vertrauen und Kompetenz, wenn neue Tools oder Prozesse eingeführt werden.

Lernen in Schichten – wie Kompetenzaufbau wirklich gelingt

Doch wie qualifiziert man 2.400 Beschäftigte für den Umgang mit einer neuen Technologie? Die VBG setzt dabei auf eine strukturierte Lernpyramide, die vom Basiswissen bis zur individuellen Anwendung reicht:

StufeInhalt
MOOC & SprechstundenVertiefung, Austausch, individuelle Fragen
Learning Nugget zum ToolKleine Klickanleitungen für den Arbeitsalltag
E-Learning zur EinführungStep-by-Step Einführung in das konkrete KI-Tool
Basiswissen zur KI & EU AI ActGrundlagen zu KI, Sicherheit, Ethik und rechtlicher Rahmen

💡 Der Kompetenzaufbau wird als strategisches Ziel verstanden – nicht als einmalige Maßnahme.

Diese Form des Lernens ist modular, niedrigschwellig und skalierbar – ideal für Verwaltungen aller Größen. Ob Kommune, Landesbehörde oder Ministerium: Wer Mitarbeitende ernst nimmt und sie stufenweise befähigt, wird die Akzeptanz für digitale Tools deutlich erhöhen.

Und auch für kleinere Einrichtungen oder Büroteams mit weniger Ressourcen bietet diese Pyramide eine wichtige Erkenntnis:
👉 Lernen muss nicht groß und teuer sein – aber es braucht Struktur, Wiederholung und Zugänglichkeit.

Und was bedeutet das für Sie im Büro? – Ihre Handlungsempfehlungen

Die folgenden fünf Punkte können Sie direkt umsetzen – auch ohne eigenes KI-Projekt:

TippNutzen für Sie
1. Nutzen Sie ChatGPT, Duden-Mentor oder andere Tools für die TextprüfungVerständlichere E-Mails, Aushänge und Briefe
2. Führen Sie eine Büro-Checkliste für „verstehbare Sprache“ einQualitätsstandard für alle internen & externen Schreiben
3. Markieren Sie in Texten typische Stolperstellen (Fachbegriffe, Abkürzungen, lange Sätze)Bewusstsein schärfen im Team
4. Sprechen Sie offen über Unsicherheiten bei FormulierungenFördert Vertrauen & Zusammenarbeit
5. Starten Sie eine Mini-Schulung zur Leichten Sprache oder klarer BürokommunikationKolleginnen mitnehmen, statt sie mit PDFs zu überfordern

„Wir machen KI nicht zum Selbstzweck“ – und genau das ist der Schlüssel

Steitz betont immer wieder, dass es nicht darum geht, modern zu wirken oder KI als Prestigeprojekt einzusetzen. Es geht um echten Mehrwert. Und der entsteht nur, wenn:

  • Mitarbeitende involviert sind
  • Texte wirklich verständlicher werden
  • Die Technik niedrigschwellig funktioniert
  • Niemand überfordert wird

Deshalb wird das Projekt auch durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstützt – und soll später anderen Behörden zur Verfügung gestellt werden.

Ein klarer Auftrag: Nicht still stehen. Weiterdenken.

Schlussgedanke: Sprache entscheidet über Vertrauen

Was in diesem Vortrag mitschwingt, ist größer als nur Textverständlichkeit. Es geht um Zugang. Teilhabe. Vertrauen.
Wenn Menschen ihre Post verstehen, können sie handeln. Wenn Sprache Klarheit schafft, entsteht Verbindung.
Und genau hier sind Sie als Sekretärin gefragt: Sie sind die Schaltstelle zwischen Absender und Empfänger, zwischen Komplexität und Klarheit.

Ob beim Schreiben einer Info-Mail, beim Formulieren eines Protokolls oder beim Aushang für die Belegschaft – Sie entscheiden, ob Ihre Botschaft ankommt.
Und mit jedem Satz, den Sie klarer schreiben, machen Sie die Arbeitswelt ein kleines bisschen gerechter.

Typische Fragen zu – Verständliche Sprache im Büro

1. Kann ich als Sekretärin auch ohne KI verständlicher schreiben?
Ja! Schon einfache Maßnahmen helfen: kurze Sätze, klare Aussagen, aktive Formulierungen. Nutzen Sie Alltagssprache statt Fachbegriffe – außer wenn diese wirklich notwendig sind. Und fragen Sie sich bei jedem Text: Würde ich das verstehen, wenn ich es heute zum ersten Mal lese?


2. Darf ich ChatGPT oder andere KI-Tools im Büro einsetzen?
Das hängt von Ihrem Arbeitgeber ab. In vielen Behörden und Unternehmen gibt es Einschränkungen – oft aus Datenschutzgründen. Fragen Sie nach einer offiziellen Regelung. Wenn erlaubt, nutzen Sie die Tools am besten über ein geschütztes System oder als Testversion mit fiktiven Inhalten.


3. Wie gehe ich damit um, wenn ich selbst Texte nicht verstehe, die ich weitergeben soll?
Sprechen Sie es offen an – gerade als Schnittstelle zur Geschäftsführung oder Kundschaft. Sagen Sie z. B.: „Ich möchte sichergehen, dass ich den Inhalt richtig übermittle. Könnten wir die Formulierung vereinfachen?“ Damit schützen Sie nicht nur sich selbst, sondern auch alle Empfängerinnen und Empfänger.


4. Gibt es Schulungen für verständliche Sprache speziell für Sekretariate?
Ja! Es gibt E-Learnings, Webinare und Fortbildungen zu „Leichter Sprache“, „klarer Bürokommunikation“ oder „Rechtskonformer Klartext“. Einige Verbände bieten sogar eigene Schulungsreihen für Assistenzberufe an – fragen Sie im Kolleginnenkreis oder bei Ihrem Weiterbildungsanbieter nach.


5. Was tun, wenn Vorgesetzte auf „seriöse“ Behördensprache bestehen?
Schlagen Sie eine Doppellösung vor: „Ich lasse den Originaltext unverändert, aber ich ergänze eine einfache Erklärung für die Leserin/die Kundin.“ So bleiben Sie korrekt – und bauen trotzdem eine Brücke. Denken Sie daran: Verständlichkeit ist keine Schwäche. Sie ist Service.

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Judith Torma Goncalves ist Magistra der Rhetorik. Seit 2017 steuert Sie die Geschicke des Verband der Sekretärinnen.

Ihre Lieblingsthemen sind Kommunikation und Rhetorik und das weite Feld des miteinander.

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