Ein Perspektivwechsel: Behindert ist man nicht, sondern wird behindert
Seit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes im Jahr 2018 hat sich die Definition von Behinderung grundlegend gewandelt. Statt die Funktionsbeeinträchtigung einer Person in den Vordergrund zu stellen, rückt das Gesetz die Barrieren, die einer gerechten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entgegenstehen, in den Fokus. Dieser Perspektivwechsel hat nicht nur Auswirkungen auf die rechtliche Situation von Menschen mit Behinderungen, sondern fordert auch eine Veränderung in der Art und Weise, wie wir über sie sprechen.
Barrieren statt Behinderung
Die traditionelle Sichtweise von Behinderung konzentrierte sich auf die individuellen Einschränkungen einer Person. Doch nun lenkt das Bundesteilhabegesetz die Aufmerksamkeit auf die Barrieren, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zur vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehren. Diese Barrieren können physischer, architektonischer, kommunikativer oder attitudinaler Natur sein. Durch die Betonung von Barrieren statt Behinderung wird deutlich, dass es nicht die Person selbst ist, die behindert ist, sondern dass sie durch äußere Umstände behindert wird.
Eine inklusive Sprache als Ausdruck des Perspektivwechsels
Die Verwendung einer inklusiven Sprache ist ein wichtiger Schritt, um den Perspektivwechsel zum Ausdruck zu bringen. Es geht nicht nur darum, ableistische Begriffe zu vermeiden, sondern auch um die bewusste Wahl von Worten, die Menschen mit Behinderungen in ihrer Individualität und Würde respektieren. Indem wir eine diskriminierungsfreie Sprache verwenden, tragen wir dazu bei, die Barrieren in den Köpfen abzubauen und eine inklusive Gesellschaft zu fördern.
Die Macht der Worte und ihre Auswirkungen
Sprache hat eine immense Macht und prägt unsere Wahrnehmung und Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen. Indem wir beispielsweise von einer „Person mit einer Behinderung“ statt von einem „Behinderten“ sprechen, rücken wir die Person und ihre individuelle Identität in den Vordergrund. Es geht darum, Menschen mit Behinderungen nicht auf ihre Einschränkungen zu reduzieren, sondern ihre Vielfalt und Potenziale anzuerkennen.
Die Bedeutung des Perspektivwechsels für die Lösungsfindung
Der Perspektivwechsel, den das Bundesteilhabegesetz eingeleitet hat, trägt nicht nur zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung bei, sondern auch zur gezielten Lösungsfindung. Indem wir die Barrieren identifizieren und beseitigen, schaffen wir die Voraussetzungen für eine inklusive Gesellschaft, in der alle Menschen gleichermaßen teilhaben können. Eine diskriminierungsfreie Sprache ist daher nicht nur ein Ausdruck von Respekt, sondern auch ein Werkzeug zur Schaffung von Chancengleichheit und Teilhabe.
Fazit: Die Kraft der Sprache für eine inklusive Gesellschaft
Die Neuausrichtung des Begriffs Behinderung durch das Bundesteilhabegesetz hat einen grundlegenden Perspektivwechsel eingeleitet. Es geht nicht mehr darum, Menschen mit Behinderungen als individuell beeinträchtigt anzusehen, sondern die Barrieren zu erkennen und zu beseitigen, die ihrer vollen Teilhabe im Weg stehen. Dieser Perspektivwechsel erfordert auch eine Anpassung unserer Sprache, um eine inklusive Gesellschaft zu fördern.
Die Verwendung einer inklusiven Sprache hat viele Vorteile. Sie trägt dazu bei, die Würde und Individualität von Menschen mit Behinderungen zu respektieren und sie nicht auf ihre Einschränkungen zu reduzieren. Es ist wichtig, Menschen als Personen mit Behinderungen anzuerkennen und ihre Vielfalt anzuerkennen. Indem wir diskriminierungsfreie Begriffe verwenden, können wir Vorurteile und Stereotypen abbauen und eine Kultur des Respekts und der Wertschätzung schaffen.
Darüber hinaus hat die Wahl der richtigen Worte Auswirkungen auf die Lösungsfindung. Indem wir uns auf die Barrieren konzentrieren, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Teilhabe erschweren, können wir gezielt nach Lösungen suchen. Ob es um barrierefreie Gebäude, barrierefreie Kommunikation oder inklusive Bildung geht, eine bewusste Sprachwahl unterstützt die Identifizierung von Hindernissen und den Abbau dieser Barrieren.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Macht der Worte nicht unterschätzt werden sollte. Unsere Sprache beeinflusst nicht nur die öffentliche Meinung und Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen, sondern auch ihr Selbstbild und ihre Selbstwirksamkeit. Eine positive und inklusive Sprache kann das Selbstbewusstsein stärken und die Motivation zur aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern.
Insgesamt spielt die Sprache eine zentrale Rolle bei der Schaffung einer inklusiven Gesellschaft. Durch eine bewusste Verwendung einer diskriminierungsfreien Sprache können wir Barrieren in den Köpfen abbauen, Vorurteile überwinden und eine Kultur des Respekts und der Gleichstellung fördern. Es ist an der Zeit, unsere Sprache anzupassen, um den Perspektivwechsel hin zu einer inklusiven Gesellschaft vollständig zu unterstützen.
Nehmen Sie sich ein Beispiel
A.) Die Person konnte wegen ihres Rollstuhls nicht ins Gebäude gelangen.
B.) Das Gebäude war nicht rollstuhlgerecht gebaut, wodurch die Person nicht ins Gebäude gelangen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Sehbehinderung den Text nicht lesen.
B.) Der Text wurde nicht für sehbehinderte Personen dargestellt, wodurch die Person ihn nicht lesen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Hörbehinderung das Gespräch nicht verstehen.
B.) Das Gespräch wurde nicht in einer für hörbehinderte Personen zugänglichen Form angeboten, wodurch die Person es nicht verstehen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Lernschwierigkeiten den komplexen Inhalt nicht erfassen.
B.) Der Inhalt wurde nicht in einer für Menschen mit Lernschwierigkeiten verständlichen Weise aufbereitet, wodurch die Person ihn nicht erfassen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer eingeschränkten Mobilität nicht mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fahren.
B.) Das öffentliche Verkehrsmittel bot keine barrierefreien Zugänge oder Vorrichtungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, wodurch die Person nicht damit fahren konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Autismus-Spektrum-Störung nicht an der lauten Veranstaltung teilnehmen.
B.) Die Veranstaltung war nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen abgestimmt, wodurch die Person nicht daran teilnehmen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Sprachbehinderung ihre Bedürfnisse nicht kommunizieren.
B.) Es wurden keine unterstützenden Kommunikationsmittel für Menschen mit Sprachbehinderungen angeboten, wodurch die Person ihre Bedürfnisse nicht kommunizieren konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht in der überfüllten Umgebung bleiben.
B.) Die Umgebung war nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit psychischen Erkrankungen abgestimmt, wodurch die Person nicht in ihr bleiben konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer physischen Behinderung keine Treppe steigen.
B.) Die Treppe bot keine barrierefreien Alternativen für Menschen mit physischen Behinderungen, wodurch die Person sie nicht steigen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer allergischen Reaktion nicht in dem rauchigen Raum bleiben.
B.) Der Raum wurde nicht rauchfrei gehalten, wodurch die Person aufgrund ihrer allergischen Reaktion nicht darin bleiben konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer kognitiven Beeinträchtigung die komplexen Anweisungen nicht verstehen.
B.) Die Anweisungen waren nicht in einer für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verständlichen Form formuliert, wodurch die Person sie nicht verstehen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Angststörung nicht in den überfüllten Aufzug steigen.
B.) Der Aufzug war nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Angststörungen abgestimmt und bot keine alternative Lösung, wodurch die Person nicht in ihn steigen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer motorischen Beeinträchtigung die schmale Tür nicht öffnen.
B.) Die Tür war nicht barrierefrei gestaltet und bot keine ausreichende Breite für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen, wodurch die Person sie nicht öffnen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Autismus-Spektrum-Störung die sozialen Normen nicht intuitiv erfassen.
B.) Die sozialen Normen wurden nicht deutlich kommuniziert oder visualisiert, wodurch die Person sie aufgrund ihrer Autismus-Spektrum-Störung nicht intuitiv erfassen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Gehörlosigkeit den Alarm nicht hören.
B.) Der Alarm wurde nicht mit visuellen oder vibrierenden Signalen ergänzt, um Menschen mit Gehörlosigkeit zu benachrichtigen, wodurch die Person ihn nicht hören konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Behinderung im Rollstuhl den engen Gang nicht passieren.
B.) Der Gang war nicht rollstuhlgerecht gestaltet und bot nicht genügend Platz für Menschen im Rollstuhl, wodurch die Person ihn nicht passieren konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer Stimmstörung ihre Meinung nicht verbal äußern.
B.) Es wurden keine alternativen Kommunikationsmethoden angeboten, um Menschen mit Stimmstörungen zu ermöglichen, ihre Meinung zu äußern, wodurch die Person sie nicht verbal äußern konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer visuellen Beeinträchtigung die Beschilderung nicht lesen.
B.) Die Beschilderung war nicht in kontrastreichen Farben oder in Brailleschrift vorhanden, wodurch die Person sie aufgrund ihrer visuellen Beeinträchtigung nicht lesen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer chronischen Erkrankung die langen Wartezeiten nicht bewältigen.
B.) Es wurden keine Sitzgelegenheiten oder Ruhebereiche für Menschen mit chronischen Erkrankungen angeboten, um die Wartezeiten zu erleichtern, wodurch die Person sie nicht bewältigen konnte.
A.) Die Person konnte wegen ihrer phobischen Störung den engen Raum nicht betreten.
B.) Der Raum wurde nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit phobischen Störungen abgestimmt und bot keine Möglichkeit, sie zu bewältigen, wodurch die Person ihn nicht betreten konnte.
💬 Wie geht es Ihnen mit der Sprache, sehen Sie die Unterschiede?